Aleks ihm sein Blog

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19.03.2011


09:54 Uhr  Atomausstieg - was nicht auf dem Beipackzettel steht


Die grausame Geschichte in Japan ist nun seit einer Woche in den Medien. Ich meine leider nicht das auch schon unvorstellbare Leid der normalen Bevölkerung, die dank unglaublicher Disziplin und Training mit der akuten Erdebebensituation gut (naja, gut... wissen schon) fertig geworden ist, aber mit den Nachwirkungen von Seeseite eben nicht.

Mal wieder ist leider das Unvorstellbare (und statistisch nur alle 30.000 Jahre auftretende) passiert und hat damit alle Unterlagen für sogenannte Auslegungsstörfälle zu einem netten Pixi-Buch zusammengeschmolzen - seit Freitag abend deutscher Zeit sind die Handbücher der Reaktorfahrer in Fukushima zu Ende, es wird improvisiert, und das ist in Japan nicht gerade eine geförderte Tugend.

Es ist grotesk und ehrenwert zu gleich, wie die Besatzung der schwerst beschädigten Anlage versucht, den Japanern den Arsch zu retten. Z.B. hat ein Abklingbecken das Volumen eines olympischen Pools, also etwa 2500 Tonnen Wasser. Es hilft nicht, selbst wenn die komplette Ladung trifft, dort 30 Tonnen Wasser abzuwerfen oder hoch zu schiessen - das müßte tagelang ununterbrochen passieren.
Besonders, wenn man den Versuch des BMU / Reaktorsicherheit liest, die Ereignisse im Nachrichtenstrom zu ordnen und auf Plausibilität zu prüfen, fällt auf, das dort nicht mehr nach Handbuch vorgegangen werden kann und das gleichzeitig die Nachrichtenlage total unklar war und immer noch ist.

Aus meiner Sicht tragen besonders die deutschen Massenmedien zu einer deutlichen Verschwurbelung der Fakten bei, scheinbar ist es z.B. selbst dem Spiegel nicht möglich, in einer Freitag nacht Fachübersetzer ranzubekommen, um zu kapieren, das es sich um zwei Standorte mit insgesamt 10 Reaktoren handelt, was ein Containment ist und so weiter - obwohl das von Reuters und diversen japanischen Medien richtig dargestellt wird, und z.B. auch vom Guardian von Anfang an richtig dargestellt wurde. Die wirklich löbliche Ausnahme ist das Ein-Mann-Kompetenzzentrum Rangar Yogeshwar, der sachlich und unaufgeregt erklärt, wie sinnvoll es z.B. ist, einen laufenden Tauchsieder, der in einer Thermoskanne steckt, von außen zu kühlen, in dem man die Thermoskanne äußerlich mit Salzwasser behandelt (Quarks&Co Sendung - sicher bald depupliziert).

Noch übler wird es, wenn man sich mit den sogenannten 'Nachrichten'sendern und deren Berichten beschäftigt. Gurkentruppen.
Alle.

Und die wollen ein Leistungsschutzrecht? Wofür? Für falsches Übersetzen von festen technischen Termini?

Abgesehen davon findet man mit wenig googlen ziemlich schnell die technischen Daten, Hersteller, Schnittzeichnungen und so weiter von den fraglichen Reaktortypen, so daß es nicht nötig gewesen wäre, so viel unglaublichen bullshit zusammenzuschreiben.

Das nur am Rande.


Interessanter finde ich, daß nun auch der normalen Bevölkerung klar wird, daß man ein AKW nicht einfach schnell-abschalten kann. Die Nachzerfallswärme sorgt nach einer Woche immer noch für unglaubliche Energiemengen (bei Block III mit einer elektrischen Leistung von 760MW (das entspricht grob einer Wärmeleistung von 2000MW) sind das immer noch 4-5 MW), die über lange Zeiträume sicher abgeführt werden müssen.

Letzlich führt dieses Wissen dazu, daß man kein AKW sicher betreiben kann, weil es noch nicht möglich ist, in die Zukunft zu blicken. Eine Abschaltung zum Zeitpunkt des Gefahreneintritts ist in jedem Fall zu spät.

Diese Überlegung führt aber auch dazu, das total unklar ist, was in Fällen von wirtschaftlichen Turbulenzen (in deren Folge z.B.: der Kraftwerksbetreiber pleite geht), Unruhen, kriegerischen Auseinandersetzungen - also allgemein bei Kontrollverlust der Gesellschaft[tm] - passiert, und wer sich darum kümmert, daß die vorhandenen Kernkraftwerke weiterhin von kompetentem Personal unterkritisch gehalten werden, oder wenn sie schon seit Jahren einfach nur noch so rumstehen, vor den bösen Jungs geschützt werden.

Was ich echt zum Kotzen finde, ist die Argumentation, daß man nicht mit der Angst der Bevölkerung spielen und darauf Politik machen sollte. Komischerweise scheint das aber im Falle von Terror total legitim zu sein. Hier noch mal kurz die Unterschiede:

  • Bei einem (guten) Terroranschlag erwischt es viele Individuen. Das ist schrecklich für diese und deren Familien, aber es sind Einzelschicksale, die das Leben leider bereithält. Man kann den Ort des Geschehens relativ schnell umpflügen und weiter machen.
    Gleichzeitig schränken Anti-Terror-Gesetze die Freiheit aller massiv ein, ohne Sicherheit bieten zu können.
  • Bei einem Atomunfall erwischt es ganze Regionen. Es erwischt die betroffenen nicht, weil durchgedrehte Irre Terror ausüben, sondern weil diese Gefahr zum normalen Wirtschaftsbetrieb eines gewinnorientierten Unternehmens gehört. Die Regionen sind auf Generationen hinaus unbenutzbar, es betrifft Nachbarländer, halb Europa. Man kann nach so einem Unfall nicht kurz innehalten, der Opfer gedenken, und weitermachen.
    Die Abschaffung der Atomkraft schränkt erstmal die Gewinnmargen weniger ein, und schafft mehr Sicherheit durch weniger Fehlerquellen.

Ziemlich merkwürdig ist auch die Kehrtwendung der Regierung, die nach ihrem Ausstieg aus dem Ausstieg im Herbst nun eine Blitzabschaltung mit dreimonatigem Prokrastinieren vollführt. Was soll das bitte?
Sooo irre doof sind nicht mal CDU-Wähler, und wer einseitig aus einem Vertrag aussteigt, trägt nach meiner Auffassung auch die dem anderen Vertragspartner dadurch entstehenden Kosten.

Also - versteht mich bitte nicht falsch, ich begrüße eine schnelle Abschaltung aller Atomanlagen. Trotzdem frage ich mich, welche im Austieg-aus-dem-Austieg-Herbst 2010 noch nicht bekannte Risikofaktoren so plötzlich aufgepoppt sind, die nun ein unmittelbares Handeln erfordern. Das heißt doch entweder, daß die Verantwortlichen vor der Katastrophe nicht bescheid wußten, nicht hingesehen haben, oder aber bescheid wußten und die Klappe gehalten haben und diese Risiken wissentlich in Kauf genommen haben.
Ich weiß gerade nicht, was ich schlimmer finde.

Atomkraft geht nicht.

  • Atomkraft überschreitet mühelos Länder- und Zeitgrenzen. Letztlich ist es für eine Bevölkerung egal, ob der eigene, technisch hochgerüstete Reaktor in der Nachbarschaft durch bisher unvorstellbare Zufälle die Grätsche macht, oder der im Nachbarland mit selbstgedengelter Technik vom Iwan. Gleichzeitig sind die jetzt vorhandenen Kraftwerke - egal, ob abgeschaltet oder im Lastbetrieb - die nächsten 50 Jahre ein riesiges Problem, von dem Müll, der da entsteht, mal ab.
  • Ich glaube, daß wir eine Verantwortung gegenüber denen haben, die nach uns kommen.
  • Wie haben auch die Verantwortung, das nicht zu vergessen, sonst passieren so schreckliche Dinge wie z.B. in Brasilien 1987 - Menschen haben keine Sinneswahrnehmung für Radioaktivität.
  • Atomkraft ist unnötig. Der Anteil an Atomstrom beträgt zur Zeit 20%. Und Deutschland exportiert zur Zeit mehr Strom, als es importiert, der Stromverbrauch in Deutschland geht zurück.
  • Die Uranvorkommen sind endlich.
  • Das Knowhow geht verloren. Die Technik ist aus den 60igern des letzten Jahrhunderts. Die Menschen, die mit dieser Technik wirklich vertraut sind und die laufenden Meiler konstruiert haben, gehen in Rente, es kommen nur wenige nach, weil fast allen jungen klar ist, daß man da in eine Ausbildung für eine tote Technologie investiert.

Wir brauchen neue Technologien zur Energieerzeugung, -speicherung und zur Verbrauchsreduzierung. Diese fallen nicht vom Himmel. Zur Zeit lohnt es sich kaum, an dieser Stelle zu forschen. Stattdessen wird eine technisch inzwischen ausgereifte und in den Markt gebrachte Technologie (Windmühlen, Photovoltaik) gefördert. Statt nach weiteren, eventuell besseren Energieerzeugungsmethoden zu suchen, wird die Kohle (Achtung, Wortwitz), die es bei Windstromeinspeisung gibt, gerne abgegriffen.

Dafür gibt es bisher noch keine wirklich tragfähigen Ideen, wie man erzeugten Strom bunkert, wenn er gerade nicht angefragt wird. Pumpspeicherkraftwerke sind da nicht der letzte Schrei, und im flachen Land auch nicht umzusetzen. Stromspeichern in Elektroautos auch nicht. Hier muß dringend geforscht und quer gedacht werden, und das sollte das Land auch fördern.

Deutschland muß an diesem Punkt voran gehen.

  • Erstens, weil wir es können. Technisch und wirtschaftlich.
  • Zweitens, weil wir anderen dann unsere Technologie verkaufen können.
  • Drittens, weil das allen anderen zeigen wird, daß es geht, und das dieser Weg der einzig aufrechte Weg ist.

Aus meiner Sicht (aber ich bin kein Fachmann) brauchen wir eine deutlich dezentralere Energieerzeugung in möglichst kleinen Einheiten, neue Möglichkeiten der Energiespeicherung, dazu ein sehr gut ausgebautes, mit staatlicher Hand geführtes Netz (Infrastruktur muß dem Staat, nicht Firmen gehören), und die Bereitschaft der breiten Bevölkerung, ihren Energieverbrauch deutlich einzuschränken (ich sag nur Weihnachtsbeleuchtung, Standby-Geräte, uralte Kühlschränke, ...) und intelligent zu nutzen.

Die Gegner des Ausstiegs sagen: Dann wird Energie teurer. Ich sage: Na und? Dann ist das eben für eine Übergangszeit so.


Bildquelle Teaser: Wikimedia, Bundesarchiv, B 145 Bild-F056650-0021 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA


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