Aleks ihm sein Blog

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16.01.2012


18:30 Uhr  Chaotische Zustände bei der Havarie der Costa Concordia?


Symbolbild

Überall in den Medien ist von absolut chaotischen Zuständen beim Verlassen der havarierten Costa Concordia die Rede.

Ich halte das für Unfug. Kurzversion: Da waren über 4200(!) Menschen an Bord. Verluste: Etwa 22. Das sind 4 Promille oder so. Das ist eine hervorragene Leistung, vor allem, wenn man sich ansieht, wer üblicherweise solche Kreuzfahrten bucht.

Aber mal langsam, was ist da eigentlich passiert?

Ein großes (290m lang), modernes (Baujahr 2006) Kreuzfahrtschiff frist eine Klamotte und hat starken Wassereinbruch. Die Besatzung beschliesst, das Schiff aufzugeben.

Genauer: Das Kreuzfahrtschiff kommt vom italienischen Festland in Richtung der Insel Giglio gefahren, die See ist ruhig, es ist abends gegen halb neun. Das Schiff fährt viel zu dicht an die Insel heran, um etwas zu posen. Anscheinend ist das so üblich.
Diesmal geht es schief, das Schiff knallt auf einen Felsen und schlägt leck. Interessant dabei ist, das der Fundort nicht dem Tatort entspricht (hab ich im Tatort gelernt, schön, nicht?), das kann man aus mehreren Indizien ableiten:

  • Der Schiff kam von SE Richtung NW auf einen Nordkurs (siehe AIS-Plot. Der AIS-Track ist nicht vollständig, dazu weiter unten mehr)
  • Das Loch im Schiff ist auf der linken (Backbordseite) des Schiffes relativ weit achtern (Richtung Heck)
  • Die Endposition des Schiffes, bekannt aus Funk und Fernsehen ist aber mit dem Bug nach Süden gerichtet, entgegen der ursprünglichen Fahrtrichtung.

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist das Schiff gegen einen Felsen der Gruppierung 'Le Scole' (siehe Karte Kartenausschnitt, ranzoomen an die Insel) geknallt, als man bereits dabei war, Richtung Nord (also nach Steuerbord) aufzudrehen. Ansonsten wäre das Schiff mit dem Bug oder zumindest mit dem vorderen Schiffsteil kollidiert, man kann gut sehen, daß das auf keinen Fall passiert ist, der vor dem Kontaktpunkt liegende Stabilisatorflügel (die Flosse ganz links im Bild, senkrecht zum Rumpf) ist nämlich noch dran.

Ein Schiff dreht über das Heck, nicht wie ein Auto über den Bug, der Drehpunkt liegt je nach Unterwasserschiff irgendwo in der vorderen Hälfte des Unterwasserschiffs, das Heck schmiert also weit gegen die gewünschte Fahrtrichtung nach außen weg.

An 'Le Scole' wird es sehr schnell sehr flach, von über 50 Meter auf 10 Meter (der hellblaue Bereich ist innerhalb der 10-Meter-Tiefenlinie).

Bei der Kollision hat es sicherlich einen starken Wassereinbruch gegeben, im achteren Bereich unten im Rumpf sind auch die Maschinenräume. Dieses Schiff hat keinen konventionellen Antrieb, also Motor-Welle-Schraube, sondern Azipods, das sind Elektromotoren mit Propellern dran, die komplett außerhalb des Rumpfes untergebolzt sind - je nach Ausführung sind diese Gondeln komplett drehbar und dienen damit auch als Ruder.

Die Azipods werden durch Elektro-Generatoren gespeist, genauso wie der Rest des Schiffes, also der Hotelbetrieb, die Navigation, Piloteneierkratzmotor, Ruderanlage, usw.
Fällt ein Teil der Generatoren (es gibt 6 á 12000 KW) spontan aus, weil sie durch die Kollision aus den Fundamenten gerissen wurden oder durch Wassereinbruch, bricht das Stromnetz wahrscheinlich schnell komplett zusammen: Blackout. In so einem Fall wird es wahrscheinlich batteriegestützte Notsysteme geben, die für eine kurze Zeit die Notbeleuchtung, die Navigation und ähnliche zentrale System am Leben erhalten, bis weitere Generatoren laufen und eher unwichtige Lasten (Kühlhaus, Wäscherei, Wassermacher, Bühnen- und Außenbeleuchtung, Küchen, Warmwasser usw) abgeklemmt werden können.

Ich nehme an, daß die Maschinenräume des Schiffes in mehrere Brandabschnitte aufgeteilt sind, so daß auch bei einem Totalausfall eines Maschinenraums noch genug elektrische Leistung produziert werden kann, um Ruder im Schiff zu behalten.

In diesem Moment (bzw. nach dem Schock über eine unvorhergesehene Situation) geht dann die Notfallroutine los:

  • Gab es Schäden, welche?
  • Ergeben die Schadensmeldungen gemeinsam einen Sinn?
  • Was ist also passiert?
  • Gab oder gibt es einen Wassereinbruch?
  • Ist die Schwimmfähigkeit gewährleistet? Wie ist die Trimmlage? Ändert sich die Trimmlage?
  • Ist die beschädigte Technik ein lebenserhaltendes System oder nur für Komfort zuständig?
  • was machen wir, wenn das Schiff nicht zu halten ist?
  • usw.

Es wird dauern, bis sinnvoll interpretierbare Schadensmeldungen auf der Brücke einlaufen, bis das Maschinenpersonal weitere Diesel am Start hat und versteht, was gerade passiert sein könnte.

Solange nicht klar ist, was passiert ist, ist es auch nicht sinnvoll möglich, parallele Abwehr- (durch die Besatzung) und Rettungsstrategien (für die Paxe) zu zünden, deswegen ist es für mich nicht verwunderlich, daß die nicht sofort einen Notruf abgesetzt haben. Was soll man da denn auch sagen, wenn die fragen, was passiert ist?

Währenddessen fuhr (oder driftete, das ist ja einiges an Masse) das Schiff weiter nach Norden. Als klar war, daß es einen erheblichen Wassereinbruch gegeben hat, und das Schiff eventuell aufgegeben werden müßte, wurden die Passagiere informiert und die Evakuierung eingeleitet. Parallel dazu hat die Besatzung das Schiff auf Gegenkurs, in flaches Wasser gefahren und es mit Absicht auf Grund gesetzt. Dieses Mannöver schafft Zeit für die Evakuierung, tiefer geht es dann nicht mehr, die Gefahr des Umkippen besteht aber (je nach Untergrund).

Zählt man auf den zahlreich vorhandenen Bildern die Rettungsboote, die an der Mole des Inselhafens liegen, kann man feststellen, daß mindestens 13 Rettungsboote zum Einsatz kamen. Das Aushieven, besetzen und wassern von Rettungsbooten ist ein zeitaufwendiges Verfahren, vor allem, wenn da noch nicht gedrillte Leute an Gehhilfen und eigenem Willen teilnehmen. Nicht ohne Grund sind in der kommerziellen Frachtschifffahrt Freifallrettungsboote vorgeschrieben, das geht bedeutend schneller - aber auf Mumienschiebern und der großen Menge von Paxen ist dieses Verfahren nicht praxistauglich. Freifallen muß geübt werden.

Das Aushieven von Rettungsbooten mag den Paxen auch chaotisch vorkommen, aber es ging eben nicht darum, 4000 Sack Kartoffeln in die Rettungsboote zu buchsieren, sondern Menschen mit nem eigenen Willen und Kamerahandy, die wohl auch das volle Verhaltensspektrum von Nichternstnehmen und Behindern/Infragestellen der Arbeiten bis zu hysterischen Panikreaktionen gezeigt haben - und das gegen ebenfalls aufgeregte, unter Zeitdruck stehende, fremdsprachlich herausgeforderte, wild gestikulierende Italiener...

Anscheinend hat die Besatzung es aber geschafft, fast alle Passagiere von Bord zu bekommen. Trotz schwerer Schlagseite (ab einer bestimmten Krängung funktioniert das Aussetzen von Booten auf der einen Seite nicht mehr, weil diese dann nur noch über die nicht mehr senkrechte Bordwand schlubbern).

Die Besatzung kann nichts dafür, daß irgendwelche Vollhonks im Dunklen über 20 Meter tief (schon mal vom 10er gesprungen? Im Dunklen?) in die Tiefe gehopst sind.

Die Beschwerde, daß die Lichter an den Rettungskragen nicht gingen, ist richtig. Diese Lichter funktionieren mit Salzwasserauslösern, damit die Passagiere diese nicht in ihren Kabinen als Taschenlampen benutzen und im Notfall funktionieren! Es gibt weitere, ähnliche Beschwerden, die bei auch nur minimaler Ahnung von der Materie ziemlich albern aussehen.

Ohne Frage ist es völlig bekloppt, unseemännisch und gefährlich, so dicht unter Land zu fahren, aber die Gegenmaßnahmen und die Rettung an sich sind aus meiner Sicht ziemlich professionell gelaufen, die Hyänen waren auch ziemlich schnell vor Ort (in dieser Webcam sieht man schön Bergeschlepper in den Farben von Smit Tug und Mammoet).

Die mediale Nachbearbeitung schreit aber genau nach Experten, gnadenloser Fehlersuche und Zeigefinger auf vermeintliches Chaos. Anscheinend kann man sich so ein Unglück (das bei Licht besehen irre glimpflich abgegangen ist) einfach nicht anders vorstellen.
Komischerweise fallen die Fnords, von denen es richtig große Fotos gibt, nicht auf. Z.B. wird bei Speigel über den 'Fahrtenschreiber' berichtet. Das hier soll er sein. In Fällen, in denen ein VDR (Voyage Data Recorder) vorgeschrieben ist (u.a. auf Paxen ab 2002) sind deren FRM (final recording media capsules) entweder als freefloats ausgelegt (die schwimmen auf, wenn das Schiff absäuft, ähnlich einer Rettungsinsel oder einem EPIRP) oder sie sind so montiert, daß man sie auch Unterwasser mit einem Tauchroboter automatisiert bergen kann - dafür haben die dann aber entsprechende Henkel, in die ein ROV fassen kann. Diese Kiste sieht gar nicht danach aus. (Wer das vertiefen will: BSU Stellungnahme zu VDRs).

Und klar, daß man sowas wichtiges übers freie Wasser weiter reicht, mit mindestens zwei Pressefotografen dabei. Ranziehen an die Riesengummisau ist ja kaum möglich.

An einem weiteren Punkt kann man sich auch gut die Verschwörungstheorien sparen, und zwar bei der Frage, warum es nicht durchgängig ein AIS-Signal vom Schiff gab.

Die öffentlich zugänglichen Trackingsysteme für Schiffspositionsdaten (AIS = automatic identification system; Transponder auf UKW-Seefunkfrequenzen, die selbstständig die Position, Geschwindigkeit, Drehgeschwindigkeit, die statische Schiffsdaten, aktuellen Tiefgang, Reiseziel usw. senden. AIS dient zur Verkehrslenkung durch Revierzentralen und auch durch die anderen, im Seegebiet herumfahrenden Schiffe selbst) wie z.B. marinetraffic.com, digitalseas.com oder vesseltracker.com nehmen einfach nicht jede Position auf - da entstehen dann Lücken.

Dazu kommt, das AIS ein chaotisches System ist, d.h., jedes AIS-System sendet, wenn es Lust hat. Es kann sein und ist üblich, daß mehrere Systeme zeitgleich senden - einfach so. Das macht nichts, weil relativ häufig gesendet wird - je nach Fahrtzustand (vor allem Geschwindigkeit) häufiger oder selten (festliegend).
Es kann also ohne weiteres dazu kommen, daß die Tracker ein paar Positionen nicht mitbekommen, weil da noch gerade ein anderer dröhnt, oder weil deren Empfänger gerade auf der anderne Frequenz sind, oder weil zum Zeitpunkt des Snapshots (das sind nur Momentaufnahmen, nix kontinuierliches) einfach gerade kein Signal kommt.

Das Abklemmen des AIS-Signals bedarf ähnlicher Maßnahmen wie das Abklemmen eines Taxameters in einem Taxi, das ist nämlich bis auf ganz wenige Ausnahmen illegal und macht ein dickes, rotes X in das VDR des Schiffes (es gibt Gebiete, in denen die IMO das Abklemmen erlaubt, damit die Schiffe nicht direkt it einem Preisschild für die Piraten rumfahren müssen).

Ich glaube nicht, daß das erste, was die auf der Brücke tun, das Abklemmen des AIS-Senders ist, und dieser fällt auch nicht bei Blackout aus - der hängt mit auf den vorgeschriebenen Notbatterieen des UKW-Seefunks. Wenn, dann haben sie das vorher abgeklemmt, in dem vollen Bewußtsein, was illegales zu tun.

Die Reederei so, als wäre die dichte Vorbeifahrt das allererste Mal gewesen - normalerweise wissen die sehr genau, wo sich ihre Schiffe befinden, und es gibt sofort Hassanrufe an Bord, wenn das aus irgendeinem Grund nicht funktioniert.

Wer die Aufzeichungsmöglichkeiten Gegentesten will: Einfach mal auf marinetraffic.com ein anderes Schiff raussuchen, das nicht Strecke macht, sondern eher kreiselt, z.B. eins vom Typ Lawenforcement in der Deutschen Bucht, z.B. einen Fischverteidiger äh Fischereischutz, Seeadler oder so. Die machen genauso Sprünge.

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