Wie eigentlich die meisten Leser wissen, geht bei mir sehr viel Zeit für
die Beschäftigung mit schwimmendem Gerät drauf, neben meiner eigenen
schwimmenden Kontenkatastrophe engagiere ich mich ziemlich stark für
Traditionsschiffe, was irgendwann dazu geführt hat, daß ich im Vorstand
der deutschen Dachorganisation für Traditionsschiffe - der Gemeinsamen
Kommission für historische Wasserfahrzeuge (GSHW e.V.) gelandet bin.
Die GSHW beschäftigt sich ganz grob und stark verkürzt dargestellt auf
der einen Seite mit der
Begutachtung von Traditionsschiffen (zur Erlangung von entsprechenden
Erlaubnissen, als Traditionsschiff zu gelten) - in enger Zusammenarbeit
mit staatlichen Stellen - und andererseits arbeitet die GSHW
als Lobby-Organisation der deutschen Traditionsschiffe und versucht, die
Interessen der Traditionsschiffe zu bündeln und an den entsprechenden
Stellen in der Politik und nachgeordneten Behörden zu artikulieren und
durchzusetzen.
Der Spagat zwischen der Mitwirkung bei der Zeugniserteilung (und
-verweigerung) und dem Einsatz für die Interessen der Betreiber von
Traditionsschiffen war in der Vergangenheit nicht wirklich einfach - wir
versuchen aber seit etwa zwei Jahren, die Beine wieder ohne Verletzungen
zusammenzubekommen und sind an den meisten Innenbeinmuskeln auf dem
richtigen Dampfer (Wortspielpunkt!), bei einigen Punkten haben wir auch
schon wieder die Knie beieinander.
Was ist ein Traditionsschiff?
Ein deutsches Traditionsschiff ist ein Wasserfahrzeug, daß nicht mehr
zum Handel, Fischen, Behördenarbeit oder ähnlichen Tätigkeiten eingesetzt wird. Es gibt
segelnde und dampfende Tradtitionsschiffe, orginalgetreue
Museeumsschiffe, Umbauten von Feuer-, Fracht- und sonstigen Schiffen zu
Segelschiffen, Nachbauten und Schiffe für das Sail Training.
Traditionsschiffe leisten soziale und kulturelle Arbeit, erhalten
traditionelle Seemannschaft und das entsprechende Handwerk für die
nächste Generation, erhalten historische Schiffssubstanz, beleben Häfen
und maritime Veranstaltungen und bieten ein ausgezeichnetes Lernumfeld
für generations- und nationenübergreifeneden Austausch, Teamarbeit und
Respekt gegenüber der Natur da.
Seit einiger Zeit gibt es neben den leider inzwischen fast regulär
auftauchenden und deshalb schon als normal geltenden Problemen mit
z.B. den nachgeordneten Behörden ein großes Problem, daß über die
nationalen Probleme der Traditionsschiffe in ihren eigenen Flaggstaaten
hinausgeht.
.
Vor und während der letzten Kieler Woche (20. bis 28 Juni) haben wir mit
einem relativ kleinen Team eine relativ große Aktion zu diesem Thema
gerissen - die Aktion Blackflag.
Worum gehts?
Es gibt trotz entsprechender Verhandlungen der europäischen Länder über
gemeinsame Grundregeln und die gegenseitige Annerkennung der nationalen Bestimmungen für
Traditionsschiffe - dem Memorandum
of Understanding on the mutual recognition of certificates for the safe operation of traditional
ships in European waters and of certificates of competency for crews on traditional ships
- kurz: dem MoU in den meisten Flaggstaaten
(u.a. auch in Deutschland) keine Umsetzung des MoU in nationales Recht,
der gesamte Prozess liegt seit Jahren brach - es gibt zwar inzwischen 25 laufende
Meter Akten über die EU-Spezifikationen für Fahrersitze von Traktoren in der EU, aber keine
Weiterarbeit an dieser traditionell übernationalen Sache -
Seeschifffahrt war (mal abgesehen von der kleinen Küstenfischerei) schon
immer eine internatinale Angelegenheit.
Dies führt inzwischen dazu, daß z.B. Dänemark Traditionsschiffen aus
Flaggstaaten, die das MoU (noch) nicht national umgesetzt haben und somit kein
Document of Compliance (DoC) vorweisen können, die Einreise
verweigert bzw. diese wie Passagierschiffe behandelt, wenn mehr als 12
Personen als Trainees (also nicht Besatzung) an Bord sind.
Genauso erlaubt Dänemark den eigenen Traditionsschiffen nicht mehr die
Ausreise aus den nationalen Gewässern, wenn sie mit mehr als 12
zahlenden Personen an Bord fahren.
Traditionsschiffe können auf Grund ihrer Bauart und der Besetzung mit
Crew die international festgelegten Standards der Berufschifffahrt nicht
erfüllen, deswegen fällt die Nummer, als Passagierschiff nach Dänemark
zu fahren, für diese aus. Nobile hat z.B.
natürlich kein Freifall-Rettungsboot
und die Crew auch nicht den passenden Zettel, so ein Rettungsboot
richtig zu bedienen.
Genauso gibt es für die holländischen Traditionsschiffe seit Beginn des Jahres massive
Probleme, von deutschen Häfen aus zu segeln (und nach Dänemark dürfen
sie offiziell genauso nicht).
Kurz: Wir wissen nicht so genau, wie es weiter gehen kann.
Die internationale Fahrt ist ein wesentlicher Bestandteil der Konzepte
von Traditionsschiffen, besonders der Sailtraining-Schiffe. Die
Dänischen Inseln liegen direkt hinter der Kimm - in vielen
Küstenabschnitten gibt es navigatorisch gar keine andere Möglichkeit,
als in und durch dänische Hoheitsgewässer zu laufen.
Neben den anderen Problemen in der Traditionsschiffahrt ist die
Forderung nach internationaler Fahrt der kleinste gemeinsame Nenner für
alle Traditionsschiffe, egal welche Betreiberform, Bauart, Nationalität,
Schiffstyp) - und deshalb haben wir uns dieses Thema für
unsere Blackflag-Aktion ausgewählt.
Die Idee war, durch eine möglichst niedrigschwellige Aktion (alle Schiffe
können mitmachen, auch wenn ihre Betreiber eher zurückhaltende Leute
sind) eine möglichst große Aufmerksamkeit außerhalb der eigenen Szene zu
erreichen - und während der Kieler Woche (einem maritimen Großereignis
und dem größten Volksfest des Nordens mit 3 Millionen Besuchern) ein
Zeichen zusetzen.
Dafür haben tapfere Leute der Thor
Heyerdahl ein paar Tage vor der Kieler Woche begonnen, 120 schwarze
Flaggen mit einem Fragezeichen zu bedrucken (um fertige Flaggen zu
bestellen, war es natürlich zu spät). Währenddessen haben andere an Flyer und Unterlagen für
Interessierte und Schiffsbetreiber entwickelt, eine Webseite
zusammengedengelt und die lokale
Politik und die andere
Seite auch angespitzt, um Unterstützung zu bekommen, die Betreiber
der Schiffe, die Behörden
und den Veranstalter informiert, Flyer
im rasenden Büro gedruckt und dann - endlich - die Flaggen und
Unterlagen auf
die Schiffe verteilt.
Der Spurt am ersten Wochenende war hart (heißt ja auch Killer Woche, das
ganze), wir konnten uns aber über eine unglaublich große Beteiligung auf
den Schiffen freuen - und unserem greenpeace-artigen
Rainbow-Warrior-Radiergummiauftreten eilte eine Welle der Aufklärung
voraus - die meisten hatten schon was von uns gehört und waren mit Feuereifer
dabei - die, die nicht bescheid wußten, haben wir entsprechend gebrieft
Am ersten Wochenende haben wir schon 70 der 120 Flaggen verteilt und überall wurde schwarz
geflaggt - erst jetzt wurde uns klar, auf welchen großen Zuspruch
die Aktion fiel, und wie gut die nun wieder erkennbare Gemeinsamkeit
aller Traditionsschiffe (trotz der unbestreitbaren großen Unterschiede
in den nationalen Konzepten zum Thema) allen tat. Wir haben sogar Anfragen aus
Dänemark, mit der Bitte um Übersendung von Blackflags, um sie auch in
Dänemark setzen zu können.
Im Laufe der Woche haben wir dann bis auf 6 Flaggen alle auf Schiffe
verteilt, viele Gespräche über die Situation und die 'erneuerte' GSHW geführt und es wirklich
geschafft, Aufmerksamkeit zu erzeugen: Auch für die normalen Segelgäste
auf der Kieler Woche war es einfach unübersehbar, daß fast jedes Schiff die
Blackflag gesetzt hatte und es wurde über die entsprechenden Nachfragen
der Gäste möglich, die Probleme der Traditionsschiffahrt anzureissen und
um Unterstützung (durch einen Eintrag in eine Unterschriftenliste) zu
bitten - bis jetzt haben wir 1.300 Unterschriften (aber noch nicht alle
Listen sind zurück bei uns). Das ist nicht so irre viel, aber es ist
auch nicht wenig.
Nebenbei hatten wir Organisatoren noch das zu tun, was wir sonst so auf
der Killer Woche machen: Schiff fahren, Dinghy-Motoren tunen, Tagesgäste bespaßen, Kontakte
pflegen (wer vor 3 Uhr morgens ins Bett geht ist echt ein Weichei oder
zu alt für sowas), und Gerüchte weiterverarbeiten - auch ohne die Blackflag-Geschichte ist
so eine Kieler Woche nicht ohne.
Die Aktion war so erfolgreich, daß wir den Weitergang ganz anders
planen, als eigentlich vorgesehen - mal sehen, daß wir den
schwerkranken Patienten Mooo wieder auf die Planke zu helfen.
Gerade eben ist eine weitere Pressemitteilung rausgegangen; und die
Nachfrage nach BLACKFLAGs und T-Shirts (!) ist wirklich erstaunlich.
Propaganda zum Nachlesen findest Du bei Interesse auf der BLACKFLAG-Webseite.
Die wirklichen Details findest Du (zum Teil zugegebener Maßen etwas
schwierig zu finden) auf der GSHW-Webseite.
Ansonsten fragen :-)
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