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Winter in der Stadt stinkt.
Und zwar so richtig. Es ist kalt, nass, dunkel, eklig - man trägt sich
Split, Sand und Salz in die Wohnung, trägt Depressionen mit sich rum,
kann nicht genussvoll radfahren, im Biergarten sitzen, Wassersport
betreiben und so weiter.
Wenn der Winter in der Stadt Schnee mitbringt, ist es ungefähr nach zwei Stunden eine
dunkelgrau-schmutzigweisse Dreckspampe und friert nachts zu einer Art
Atlantikwall gegen die Invasion von geparkten Autos und sorgt für Oberschenkelhalsbrüche von
Omas. Mit dem Rad kann man kaum fahren, weil man sich zu schnell auf die Fresse
packt, mit dem Auto will man nicht fahren, weil man es erst
freischaufeln, dann freikratzen und dann im Inneren frieren muß, bis man
quasi da ist, wo man eigentlich mit dem Rad hinfährt (und schwitzt). Mit den Öffis will
man erst recht nicht fahren, alles voller ungewaschener, nasser,
grüngesichtigen Menschen auf viel zu engem Raum.
Aaaaber - Winter auf dem Land ist super. Schnee ist und bleibt Schnee,
und die Naturgewalt entfaltet sich so, wie man sich das von einem Winter
vorstellt: Die Trinkwasserleitungen frieren ein, es gibt
Schneeverwehungen, die auch einen waschechten Trecker mit Allrad und 16
Geländeuntersetzungen zu schaffen machen, man schippt Schnee und sitzt
dann am Ofen in der Küche (und versucht eine wlan2umts-Bridge zum
Fliegen zu bekommen, aber das ist eine andere Geschichte - auf dem Land
gibts ja gar kein UMTS, sondern nur EDGE, aber die stinkende Fonera kann das
Modem im EDGE-Betrieb nicht initialisieren und das ist wirklich eine andere
Geschichte und ich höre jetzt auf darüber zu jammern).
Jedenfalls bin ich wegen dieser anderen Geschichte und um mal raus zu
kommen, nach Hullerbusch gefahren (kurz vor Sibiren, ziemlich genau da, wo wir zum Jahreswechsel
den Großbrand
ausgelöst haben - der Ort mit der weltbesten
Bio-Schäferei und allen Produkten, die man so aus Schaf und Ziege
herausgepuhlt bekommt).
Schon die Fahrt dort hin war ein Abenteuer, weil es
am Freitag heftigst angefangen hat zu schneien. Normalerweise brauche
ich so dreieinhalb bis vier Stunden für die Strecke, am Freitag hab ich
über sechs Stunden gebraucht, weil einige von den Chaoten, die auch
unbedingt irgendwo hin mußten, nicht kapiert haben, daß man auf der
Autobahn, wenn sie eine komplett geschlosssene Schneedecke hat und mit einem nicht überfahrbarem
Mittelhuckel aus Eismatsch zwischen den Spuren ausgestattet ist, eben nicht die Spur wechselt, bremst, lenkt
oder sonst irgendwelche irren Mannöver fährt.
Auf den Landstrassen hinterher ging es dann einigermaßen,
fast ganz zum Schluss hab
ich kurz in einer Schneespur gesteckt, die der vorherfahrende Schneepflug
durch Nichtabbiegen erzeugt hat - ging aber mit einmal zurücksetzen dann
doch.
Am nächsten Morgen haben wir dann die Schafe
gefüttert (bei der Schneetiefe finden die nix
mehr selbst) - wir, naja also ich hab fotografiert..., die Natur
durch die Küchenfenster beobachtet, einen
Schneeflug, den die Hunde über das Gelände ziehen können gebaut, und
sind dann nach dem entsprechenden Notruf mit dem Trecker los, um ein paar Autos, die sich
hinter dem nächsten Dorf festgefahren hatten, frei zu schleppen.
Da war dann richtig Schneesturm - nach so etwa 50 Metern war die Welt einfach
in jeder Richtung zu Ende. Witzigerweise
hatte ein Teil der Eingeschlossenen
nicht mal richtige Schuhe an, geschweige denn Kopfbedeckungen,
Handschuhe, Abschleppseile und so weiter.
Am Nachmittag wollten wir dann Rodeln, trotz nicht ganz optimaler
Bedingungen (Tiefschnee). Dafür hatten wir einen SpezialRodelwannenZugHund, der unermüdlich die
Rodelwanne
gezerrt hat (eigentlich eine Schaftränke, ein Schlitten wäre nicht gegangen, zu schmale
Kufen für so tiefen, fluffigen Schnee). Chico hat sich damit den Namen
Schneestürmer
verdient.
Am Abend hab ich mich dann mit dem nicht wirklich vorhandenen Internet
rumgeärgert. Dazu schreibe ich glaube ich noch mal was gesondert.
Am nächsten morgen gabs dann nach dem Sonntagsei (die Hühner waren trotz
der Kälte enorm fleissig) selbst gebaute Riesenschneeschuhe, um ein Schleppdach von
der irren Schneelast zu befreien, ohne selbst durchzubrechen, Schneeverwehungen
mit dem Frontlader wegbaggern und dann noch
mal rodeln, diesmal allerdings sehr viel dynamischer und ohne
Zughund.
Da mir zumindest am Samstag nicht ganz klar war, wie ich rechtzeitig
wieder in die Zivilisation zurückkehren könnte, bin ich dann Sonntag am
frühen Nachmittag
bei erneut einsetzendem Schneefall sicherheitshalber losgefahren.
Tolles Wochenende. Und ich hab tolle, neue Hausschuhe aus Schaf, wieder den
Wunsch nach nem Hund (was total utopisch ist, solange ich in einer Stadt
hause).
Ahja, Film zum Wetter: Nord.
Sehr gut gemachter, lakonischer, mit
tollen Landschaftsaufnahmen und irren Typen gespicktes norwegisches
Roadmovie.
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